Vom Selbstwert zum Grundwert

Viel Kraft und Energie, berufliche Leistungen, Status und Statussymbole und vieles mehr fließen oft in den Selbstwert. Eine Aussage des Selbstwertes könnte z.B. sein: Ich habe dieses Projekt gut geleitet, also fühle ich mich kompetent und wertvoll. Wir können von diesem Selbstwert einen Grundwert unterscheiden. Der Grundwert ist unabhängig von Leistungen. Er ist mehr ein Gefühl darüber, ob man auf dieser Welt überhaupt willkommen ist. Dieser Grundwert entsteht in den frühen Jahren aus den ersten Bindungen und Erfahrungen mit diesen Bindungen. Wenn wir, wie im Vajrayana-Buddhismus, über den wertvollen Menschenkörper meditieren, so trifft dies den Grundwert.

Über den Grundwert entscheiden aber nicht nur die Bindungserfahrungen, sondern auch eine gewisse Selbsttreue bezüglich dem, was man mag und nicht mag. Wenn z.B. ein Kind nicht zur Oma gehen mag, dann ist oft das Schlimmste, was passieren kann, dass die Mutter sagt: Gehe mit, du wirst es mögen – wirst schon sehen. Das Kind gibt dann sein Mögen in etwas, das es gar nicht mag, bleibt sich damit nicht selber treu und gewinnt keinen Grundwert. Viel besser wäre es, das Kind würde nur der Mutter gehorchen wollen, aber sein Mögen für sich behalten und halt etwas tun, was es nicht mag. Damit kann sich das Kind selbst treu bleiben und gewinnt Grundwert.

Wir können also zwischen Mögen und Wollen unterscheiden. Das Mögen ist gekoppelt an den Grundwert, das Wollen ist gekoppelt an den Selbstwert.

Ein anderes Beispiel dazu ist eine Führungssituation, in der wir z.B. eine Kündigung aussprechen wollen. In diesem Fall kann es sein, dass wir das zwar generell nicht mögen (also nicht gerne tun), aber dennoch wollen (weil wir z.B. das Notwendige als Funktionserfüllung veranlassen). Auch hier ist es dann gut für den Grundwert, wenn wir unser Mögen nicht in das Wollen geben.

Mangelnder Grundwert, der von viel Selbstwert überdeckt wird, ist ein Nährboden für Krisen. Jedes Mal wenn uns etwas an ein Ereignis erinnert, das negativ zu einem Mangel an Grundwert geführt hat, fallen wir zurück in alte Muster oder die Erinnerung zieht uns sogar sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weg. Deshalb können wir uns gezielt überlegen, wie wir den Grundwert festigen können, also den Wert des Seins an sich.

Auch dabei werden wir vielleicht feststellen, dass wir viel mit weiterem Tun, also weiteren Leistungen koppeln. Jedoch spielen wir damit wieder in den Bereich des Selbstwertes, der sich an Leistungen koppelt, nicht des Grundwertes. Den Grundwert können wir durch gute Beziehungen stärken und auch, indem wir uns gezielt Gedanken über unser Mögen machen.

Wer übrigens über Jahre hinweg etwas tut (oder tun muss), das er gar nicht mag, der wird oft krank aufgrund dieser Selbstdiskrepanz. Achtsamkeit erkennt Mögen, Nicht – Mögen und Neutralität ohne Anhaftung oder Ablehnung. Anhaftung ist problematisch wegen der Gier und dem Begehren, Ablehnung wegen Widerständen, Wut oder Aversion. Der Versuch, Schmerz zu vermeiden, verstärkt ihn oft. Die Ablehnung schließt Entwicklung aus.

Es lohnt sich also, über unser Mögen und unseren Grundwert stärker nachzudenken. Die Urlaubszeit im Sommer ist dazu bestens geeignet – finden wir im Urlaub heraus, was wir tatsächlich mögen und was uns guttut. Und erkennen wir das Führungspotential in der Unterscheidung von Grundwert und Selbstwert – zwei Gefühlen, die gänzlich anders genährt werden.

Mögen alle Wesen ihren Grundwert steigern und den Wert ihres Seins erkennen. Möge der wertvolle Menschenkörper gute Samen setzen für eine positive Zukunft zum Wohle aller fühlen Wesen.


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